Digitale Nomaden auf Madeira
Der Landeanflug auf Madeira ist spektakulär. Der WizzAir-Jet fliegt erst am Flughafen vorbei, um dann eine enge 180-Grad-Kurve über dem Meer hinzulegen und endlich abzugleiten auf die Landebahn, die von drei Seiten vom Meer umgeben ist. Im Flugzeug wird geklatscht - kein Wunder, sind doch so gut wie alle zum Urlaub hier.
Außer dem Verfasser dieser Zeilen und vielleicht dem einen oder anderen Digital Nomaden an Bord. Seit drei Jahren nämlich gilt die Insel als Hotspot für Remote Worker aller Art. Mit der Beginn der Coronapandemie im Frühjahr 2020 brach auf einen Schlag der Tourismus zusammen, von dem die zu Portugal gehörende, aber weitgehend autonome Atlantikinsel im großen Ausmaß lebt.
Von einem Tag zum nächsten kamen keine Gäste mehr. Tausende Mitarbeiter:innen in Tourismus und Gastronomie wurden arbeitslos. Für eine abgeschiedene Urlaubsinsel - zum portugiesischen Festland sind es rund tausend Kilometer - ohne nennenswerte andere Wirtschaftszweige die größtmögliche Katastrophe.
In dieser Zeit wagte sich die Inselverwaltung, die das Förderprogramm “StartUp Madeira” betreibt, an etwas gänzlich Neues. Auf Anregung eines brasilianischen Digitalen Nomaden entwickelte sie die Idee eines “Start Up Villages”, also einer Gemeinschaft, in der digitale Nomaden neben Einheimischen eng zusammenleben. Hotels und Gästewohnungen standen ohnehin leer, die Immobiliensuche im ansonsten dicht verbauten Madeira war also leichter als normal.
Das kleine Team von StartUp Madeira machte sich auf die Suche nach möglichen Standorten. Eine gute Verkehrsanbindung und schnelles Internet gibt es hier fast überall, nicht aber die richtige Struktur aus alteingesessenem und lebendigem Ortskern, frei gewordenen Wohnungen und Gästezimmern und einer gemeinsam nutzbaren Immobilie zum Arbeiten.
Das beschauliche Ponta de Sol, eine halbe Stunde westlich der Inselhauptstadt Funchal gelegen und sonnenreichster Ort der Insel, aber vereinte all diese Anforderungen auf sich. Und so wurde dort, binnen weniger Wochen, alles für Remote Worker aus der ganzen Welt eingerichtet. Und sie kamen auch, ganz ohne große Werbung. Schnell hatte sich herumgesprochen, dass Madeira sich um die Infrastruktur kümmert und zudem weitgehend coronafrei geblieben ist.
Wer also nicht im winterlichen Lockdown bleiben wollte, sondern auf eine Insel mit ganzjährig gutem Wetter, guter Infrastruktur und offenen Lokalen kommen wollte, entschied sich vielfach für Madeira. Nicht wenige entschieden sich erst in dieser Zeit, dass digitale Nomadentum auszuprobieren. Weil es egal ist, ob das Home Office in München, im Mühlviertel oder eben auf Madeira liegt. Dank der EU-Mitgliedschaft entfällt auch ein Warten auf eine Aufenthaltsgenehmigung.
Das bemerkenswerte daran: Die Pandemie ist vorbei, doch das Konzept hat gehalten. Mittlerweile gibt es sieben Standorte auf ganz Madeira, die monatlich von mehreren Hundert Nomad:innen aufgesucht werden. Die meisten bleiben ein bis drei Monate, manche aber auch schon seit zwei, drei Jahren - mit Unterbrechungen oder gleich durchgehend. Viele meiner Gesprächspartner:innen sagen: So schön wie hier war es noch nirgends. Das Erfolgsrezept, wie ich bei meinem Besuch schnell lerne: Die gute Gemeinschaft. Mehr darüber morgen.