Nordmazedonien und der EU-Beitritt: Es ist kompliziert

Wer schon mal in Nordmazedonien oder anderen Westbalkanstaaten unterwegs war und sich länger mit Einheimischen unterhalten hat, weiß vielleicht, was ich meine, wenn ich sage: die Menschen hier sind sehr gastfreundlich und hilfsbereit. Ich treffe viele Leute, die sich Zeit für mich nehmen und bei Kaffee oder Abendessen gern und ausgiebig mit mir über ihr Heimatland und auch die politische Situation hier reden.

Wenn ich aber die EU anspreche, müssen manche erst die Stirn runzeln oder kurz aufseufzen. Der Beitrittsprozess Nordmazedoniens ist ein schwieriges Thema. Das Land ist jenes der Region, das bereits am längsten EU-Mitglied werden möchte, nämlich seit bald 25 Jahren. Dabei gab es eine Zeit, da sah es so aus, als könnte Nordmazedonien zusammen mit Kroatien beitreten. Kroatien ist seit 2013 in der EU.

Wann Nordmazedonien Mitglied werden könnte, ist aktuell schwer zu sagen. Erst legte Griechenland ein Veto ein, weshalb Nordmazedonien seinen Namen änderte (bis 2019 hieß es noch Mazedonien, wie auch eine Provinz in Griechenland). Somit gelang 2020 der NATO-Beitritt, der Weg in die EU hätte dem Plan nach ebenfalls geebnet sein sollen.

Bulgarisches Veto

Doch nun blockiert Bulgarien die Aufnahme der Verhandlungen. Es ist ein heikler Streit um Identität und Geschichte. Nordmazedonien habe seine historischen Wurzeln in Bulgarien und die mazedonische Sprache sei ein Dialekt des Bulgarischen - so die Sichtweise einiger bulgarischer Politiker und zum Teil auch der Gesellschaft. 2022 vermittelte dann die französische EU-Ratspräsidentschaft einen Kompromiss, wonach Bulgarien sein Veto aufheben würde, wenn Nordmazedonien die bulgarische Minderheit im Land in der Verfassung verankert. Letzteres geschah aber nicht, im Parlament in Skopje fanden sich nicht ausreichend Stimmen dafür.

Seit ein paar Monaten hat Nordmazedonien nun eine neue Regierung, angeführt von der als populistisch-nationalistisch geltenden VMRO-DPMNE. Und erst vergangene Woche wurde der Beitrittsprozess Nordmazedoniens offiziell von jenem Albaniens entkoppelt. Während die ersten Verhandlungskapitel für Albanien also schon Mitte Oktober eröffnet werden sollen, geht es für Nordmazedonien erstmal nach wie vor nicht weiter.

“Gut an EU-Gesetzgebung angepasst”

Über all diese Entwicklungen und den aktuellen Stand des Beitrittsprozesses Nordmazedoniens habe ich mich in Skopje mit Simonida Kacarska, Direktorin des dortigen European Policy Institutes, unterhalten. „Formal ist Nordmazedonien in diesem Prozess noch nicht weit fortgeschritten, aber es ist schon sehr gut an die EU-Gesetzgebung angepasst, weil es so früh damit begonnen hat - in manchen Bereichen besser als Albanien“, sagt sie. Die bilateralen Probleme würden diese Tatsache, aber auch weitere Herausforderungen im Bezug auf den Beitritt Nordmazedoniens derzeit in den Hintergrund drängen.

Wenn es um derartige Streitigkeiten im Zusammenhang mit Identität gehe, würde die EU in vielen Fällen intermediäre oder internationalisierte Kommissionen oder Formate der Diskussion finden. „Das ist im Fall Nordmazedonien und Bulgarien nicht so, weil Bulgarien EU-Mitglied ist“, so Kacarska. Es gebe nicht genug Austausch, auf politischer wie zivilgesellschaftlicher Ebene. Und Bulgarien sehe seit dem französischen Vorschlag keine Notwendigkeit für Vermittlung.

Was die neue Regierung angehe, bleibe abzuwarten, wie sie sich zu den Schlüsselreformen positionieren werde, die es für die Mittel aus dem EU-Wachstumsplan brauche - vor allem in den Bereichen Wirtschaft und Rechtstaatlichkeit. Bisher habe sie Ausrichtungen des Landes beibehalten, etwa außenpolitisch, was die Unterstützung der Ukraine angehe.

“Die meisten würden noch immer für Beitritt stimmen”

Nichtsdestotrotz befürworte die VMRO-DPMNE einen Teil der bisherigen „Kompromisspolitik“ des Landes im Hinblick auf den EU-Beitritt nicht so stark wie die zuvor führende Regierungspartei. Dass die VMRO-DPMNE in diesem Jahr die Wahl gewonnen habe, hänge auch - aber nicht nur - mit einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung zusammen.

„Die europäische Integration wird noch immer als eine gute Sache für das Land angesehen, die meisten würden noch immer für den EU-Beitritt stimmen“, so Kacarska. Doch aufgrund der Verzögerungen würden immer weniger Menschen daran glauben, dass es tatsächlich dazu kommen werde: „Eine Person, die 2001 geboren wurde, als das Land das EU-Assoziierungsabkommen unterzeichnet hat, wäre jetzt 23 Jahre alt. Es ist normal, dass Menschen innerhalb einer bestimmten Lebenszeit erwarten, die Ergebnisse eines solchen Prozesses zu sehen.“

Mit genau solchen Menschen, die mit der Perspektive auf den EU-Beitritt in Nordmazedonien großgeworden sind, habe ich mich ebenfalls unterhalten. Was sie mir erzählt haben, berichte ich euch demnächst hier.

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Durch die unsichtbare Mauer: Ab in den Süden. Ab nach Neapel.