Von Hygge, Happiness und Herbst
Verena Schinnerl, Dänemark, 18. September
Tag 2:
L, y, k, k, e, m, u, s, e, e, t. Die schwarzen Buchstaben stehen zu einem Halbkreis gebogen gut lesbar auf einem quadratischen, gelben Schild. Auch ohne die beiden Punkte, die Augen, ist sofort erkennbar: Hier handelt es sich um eine Art abstrakten Smiley – einen glücklichen wohlgemerkt, denn als ersten Programmpunkt besuche ich das Lykkemuseet, auf Deutsch: Glücksmuseum. Dort finden sich verschiedenste Infos zum Thema Glücklichsein: Ländervergleiche, unterschiedliche Einflussfaktoren, der Zusammenhang mit Hygge. Gegründet wurde das Museum vom Happiness Research Institute, Senior Analystin Catarina Lachmund durfte ich im Lykkemuseet zum Gespräch treffen. Von ihr erfahre ich, dass es sechs grundlegende Faktoren gibt, die 75% der Unterschiede des Glücklichseins auf Länderniveau ausmachen: soziale Sicherheit, fehlende Korruption, BIP pro Kopf, gesunde Lebenserwartung, Großzügigkeit und Freiheit, eigene Lebensentscheidungen zu treffen.
Im World Happiness Ranking 2024 liegt Dänemark, wie auch in den Jahren zuvor, auf dem zweiten Platz der glücklichsten Länder und somit hinter Finnland. Alle nordischen Länder sind dabei in den Top 10 zu finden. Länder wie Finnland und Dänemark, die im Ranking besonders weit vorne liegen, schneiden bei allen sechs Faktoren gut ab.
Meine zwei liebsten Fun Facts aus dem Lykkemuseet:
Im Museum gibt es auch einen „Happiness around the world“-Raum – einen Raum mit unzähligen Haftnotizen, auf denen Menschen aus aller Welt gesammelt haben, was sie glücklich macht.
In Dänemark werden mehr Kerzen pro Kopf verbrannt als in jedem anderen europäischen Land – sechs Kilo Kerzenwachs pro Person und Jahr. Das ist fast doppelt so viel wie im Land auf dem zweiten Platz, Österreich – mit etwas über drei Kilo Kerzenwachs pro Person und Jahr.
Nach meinem Besuch im Lykkemuseet treffe ich Peter Abrahamson, Professor für Soziologie an der Universität von Kopenhagen. Auch er spricht von verschiedenen – objektiven und subjektiven – Faktoren rund um das Glücklichsein, wobei in Dänemark vor allem das hohe Maß an Vertrauen, auch in die Regierung, und die Transparenz hervorstechen. Skandinavische Wohlfahrtsstaaten, darunter Dänemark, werden durch ihre universellen Leistungen charakterisiert. Ziel ist eine Gleichheit auf hohem Niveau, also: hohe Steuern, dafür aber auch hohe Sicherheit (etwa im Gesundheits- und Bildungsbereich) und – wie Abrahamson schlussfolgert – ein hohes Level an Glücklichsein / Lebenszufriedenheit. Lachmund und Abrahamson sind sich einig, dass die große Zufriedenheit in Dänemark nicht trotz, sondern gerade wegen der hohen Steuern vorhanden ist. Doch Dänemark hat auch mit Herausforderungen zu kämpfen – so weist die jüngere Generation, ähnlich wie in anderen Ländern, ein deutlich geringeres Wohlbefinden auf als die ältere Generation.
Mit Abrahamson spreche ich auch über die EU, denn Dänemark feierte letztes Jahr 50 Jahre EU-Mitgliedschaft, ist aber trotzdem einen eigenen Weg gegangen. Anfang der 90er haben die Dän:innen den Vertrag von Maastricht mit einer knappen Mehrheit abgelehnt und Dänemark hat sich in weiterer Folge Sonderrechte gesichert. So hat sich Dänemark als aktuell einziger Mitgliedsstaat das Recht vorbehalten, die Gemeinschaftswährung Euro nicht einzuführen. Für Abrahamson war eine zurückhaltende Einstellung der Dän:innen gegenüber der EU lange sichtbar – jetzt positioniere sich die jüngere Generation aber zunehmend pro EU. Ein spannender Ausgangspunkt für meine Straßenumfrage, die ich im Laufe der Woche noch führen werde.
Mit rauchendem Kopf beende ich den Tag schließlich bei einem gemütlichen Spaziergang rund um die Kopenhagener Befestigungsanlage Kastellet und einem Cappuccino aus Dänemarks angeblich erstem To-Go-Kaffee-Shop namens Kafferiet. Der Herbst zieht in Dänemark gerade langsam ein – bei teilweise verfärbten Blättern und in der Abendsonne lasse ich die Gespräche des heutigen Tages Revue passieren.