Ein Tag, drei Welten: von Kopenhagen nach Roskilde und Hellerup
Verena Schinnerl, Dänemark, 19. September
Tag 3:
Der frühe Vogel…
…fährt mit dem Zug Richtung Roskilde. Zumindest ist das heute bei mir der Fall, denn mein erstes Interview des Tages führt mich an die Universität Roskilde, wo ich Bent Greve, Professor am Department für Sozialwissenschaften und Wirtschaft, treffe. Die Zugfahrt ist angenehm und ich bin noch nie zuvor in einer so leisen Ruhezone gesessen. Irgendwie waren alle entspannt – anders als ich es von meinen Pendel-Strecken in Österreich kenne.
An der Uni angekommen, kann ich im Gespräch mit Greve an meine gestrigen Erkenntnisse anknüpfen: Wir sprechen über das in Dänemark vorherrschende Vertrauen – ineinander und in die Institutionen – und darüber, dass der starke Wohlfahrtsstaat den Dän:innen die Angst nimmt, im Krankheitsfall, bei Arbeitslosigkeit oder im höheren Alter keine Versorgung zu erhalten. Equal Access steht bei den nordischen Staaten im Zentrum.
Ein neues Thema: Die Flexibilität im Bildungs-, aber vor allem im Arbeitsbereich. „It’s easy for employers to both hire and fire”, fasst Greve zusammen. Dänemark verfolgt dabei eine aktive Arbeitsmarktpolitik: Im Falle der Arbeitslosigkeit sollen die Dän:innen möglichst schnell wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden – die Wahrscheinlichkeit, einen neuen Job zu finden, sei dabei relativ hoch. In der Zwischenzeit erhalten die Betroffenen vergleichsweise hohe Unterstützungen. Greve spricht vom Flexicurity-Modell: Flexibilität (Flexibility) für die Arbeitgeber:innen und Sicherheit (Security) für die Arbeitnehmer:innen. Er weist aber auch auf eine Herausforderung hin: die sinkende Geburtenrate.
Nach dem Gespräch heißt es für mich noch einmal ab in den Zug – es geht wieder zurück Richtung Kopenhagen, diesmal aber etwas weiter bis nach Hellerup. Hellerup ist ein nördlich gelegener Vorort von Kopenhagen und eine besonders exklusive Wohngegend. Das merke ich auch, sobald ich aus dem Zug aussteige. Die Atmosphäre ist ruhig, die Umgebung gepflegt, die Straßenränder sind begrünt.
Meine Interviewpartnerin, die ich in ihrem Zuhause in Hellerup treffe, wohnt besonders idyllisch – mit einem großen Garten und ein paar Hühnern, die uns während des Gesprächs neugierig beobachten. Mit Signe Wenneberg, Journalistin und Nachhaltigkeitsberaterin, spreche ich über Hygge, Happiness und vor allem über Nachhaltigkeit. Wenneberg nennt das dänische Social Security System – mit Leistungen wie Krankenversicherung, Familienförderungen, Unterstützung bei Krankheit und Mutterschaft, Pension, Arbeitslosenunterstützung, ATP (eine dänische Zusatzpension) und Arbeitsunfallversicherung – als wichtigen Grund, warum die Bevölkerung sich sicher und somit glücklicher fühlt. Dänemark steht jedoch auch Schwierigkeiten gegenüber: So sei das Land nicht ganz so grün, wie oft behauptet wird. In diesem Jahr ist Dänemarks Earth Overshoot Day etwa auf den 16. März gefallen, was auf einen hohen Ressourcenverbrauch und einen großen ökologischen Fußabdruck hinweist.
Ein Tag mit interessanten Gesprächen und neuen Ansätzen geht zu Ende und ich lasse ihn gemütlich im Tivoli, einem der ältesten Vergnügungsparks der Welt, mitten in Kopenhagen ausklingen. Mit einem Meer aus bunten Lichtern und einer wilden Achterbahnfahrt kann ich auf jeden Fall erst einmal abschalten.