“Nie wieder” - Über Geschichtsaufarbeitung und kollektive Verantwortung

Der letzte Tag meiner Recherche-Reise hat mich nach Subotica geführt. Im Laufe ihrer Geschichte hatte die Stadt knapp 200 verschiedene Namen. Der Hintergrund dafür ist, dass sie immer wieder von unterschiedlichen Reichen und Staaten beherrscht und dementsprechend umbenannt wurde. So hieß Subotica ab 1779 zum Beispiel „Maria-Theresiapolis“,
zu Ehren von Maria Theresia von Österreich. Auch Subotica hat also eine habsburgische, österreichisch-ungarische beziehungsweise deutsche Geschichte.

Ich habe hier Rudolf Weiss getroffen, den Vorsitzen des Deutschen Volksverbandes in Subotica. Rudolf Weiss stammt ursprünglich aus dem Banat. Auf die Frage, was seine Muttersprache ist, antwortet er mit „Deutsch“ und fügt gleich hinzu, welche Sprachen er darüber hinaus noch spricht. Es sind viele.

Rudolf Weiss führt die Monatszeitschrift "Mosaik", die in mehreren Sprachen erscheint

Rudolf Weiss gehört zu den 2570 Menschen in Serbien, die sich bei der letzten statistischen Erhebung im Jahr 2022 als „Deutsche“ deklariert haben. Die meisten Menschen, die heute noch deutschsprachige beziehungsweise donauschwäbische Wurzeln haben, wissen heute entweder nichts mehr davon oder identifizieren sich damit nicht mehr.

Rudolf Weiss arbeitet als Geschichte-Lehrer an einer Schule und ist nebenbei ehrenamtlich für den Deutschen Volksverband tätig. Dabei gehe es jedoch nicht, wie er sagt, um profane oder gar oberflächliche Kulturarbeit und Traditionspflege in Form von Dirndl, Volkstanz und Gugelhupf backen, sondern um eine vergangenheitspolitische und erinnerungskulturelle Auseinandersetzung mit der donauschwäbischen Geschichte. Das macht er zum Beispiel in Form von Artikeln in der Verbands-Zeitschrift “Mosaik”.

Rudolf Weiss meint damit vor allem das Thema der kollektiven Verantwortung in Hinblick auf donauschwäbische Kollaborationen im Nationalsozialismus. Es sei eine moralische Verantwortung hier Stellung zu beziehen und sämtliche Verbrechen im Namen der „Deutschen“ klar zu verurteilen, sagt er. Es sei eine kollektive Verantwortung, aber keine kollektive Schuld, wie er differenziert.

Dieses Thema hat viele Diskussionen hinter sich. Die kollektive Beschuldigung und Bestrafung aller Donauschwaben nach dem Zweiten Weltkrieg durch das kommunistische Jugoslawien in Form von Massenmord, Internierung und Vertreibung hat dazu geführt, dass die Aufarbeitung der NS-Kollaborationen lange Zeit in den Hintergrund gerückt wurde.

Rudolf Weiss sieht es als seine Aufgabe die Auseinandersetzung mit diesem Thema aufrecht zu erhalten, um künftigen Generationen ein differenziertes Geschichtsbild vermitteln zu können. Das “Nie wieder” spielt dabei eine zentrale Rolle.
Das Zentrum des Deutschen Verbandes fungiert in erster Linie als Kulturzentrum für deutsche Sprache und Literatur. Wöchentlich finden kostenlose Deutschkurse für alle Interessierten statt.

(Viktoria Tatschl)

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