Nach Fußball-WM: Debatte um Frauenrechte in Spanien
David Riegler, Spanien, 29. August
Heute ist der zweite Tag meiner Recherchereise hier in Spanien und wieder einmal hat mir die Realität gezeigt, dass man sich im Journalismus nur bedingt auf eine Geschichte vorbereiten kann, denn jeden Moment kann ein neues spannendes Thema auftauchen, das die Menschen bewegt. Genau das ist hier in der Fußball-Nation Spanien passiert.
Zu sagen, dass Spanien viele Fußball-Fans hat, wäre eine Untertreibung. Das Land lebt und feiert diesen Sport, ein Telekommunikationsanbieter schreibt auf die Plakate „El fútbol lo cura todo“ (Der Fußball heilt alles) und nach dem Sieg bei der Fußball-WM der Frauen gab es landesweite Feiern.
Jetzt, 9 Tage nach dem Finale, ist von dieser Stimmung nichts übrig. Ich habe den Tag genutzt, um mit Menschen hier zu sprechen und mich durch die Medienlandschaft zu recherchieren, denn heute sind alle Zeitungen und Fernsehberichte voll von dem Kusseklat des Fußballverbandspräsidenten Luis Rubiales gegenüber der Spielerin Jennifer Hermoso.
Es gibt Rücktrittsforderungen, Demonstrationen, ein Statement der UNO und einen Hungerstreik der Mutter von Luis Rubiales. Aus dem Kuss ohne Zustimmung ist eine landesweite Debatte über Frauenrechte geworden. Ein Thema, das in Spanien in den letzten Jahren immer wieder zu hitzigen politischen Debatten geführt hat.
Im Herbst letzten Jahres ist ein Video viral gegangen, das zeigt, wie zahlreiche Studenten in Madrid die Bewohnerinnen eines Wohnheims gegenüber sexistisch von ihren Fenstern aus beleidigt haben. Schon damals zeigten die Reaktionen, was auch jetzt wieder beim Fall Rubiales deutlich wird: Spanien hat zwei Gesichter.
Es ist zwar mittlerweile ein journalistisches Klischee ein Land als gespalten zu bezeichnen, aber im Falle Spaniens kann man in den Debatten einen deutlichen Graben zwischen den Positionen sehen. In manchen Bereichen hat Spanien eine Vorreiterrolle bei Frauenrechten und ist mit einigen Gleichstellungsgesetzen anderen EU-Ländern weit voraus, andererseits gibt es einen Teil der Gesellschaft, der in traditionellen Geschlechterrollen verharrt und die Entwicklungen der letzten Jahre kritisch sieht.
Die Debatte ist noch nicht am Ende angekommen und ich werde die nächsten Tage hier in Spanien nutzen, um sie journalistisch zu begleiten und weiter zu recherchieren.