Ferngesteuert vor die Haustür
Tag 1. Nachdem sich der Flieger durch die Wolkenschicht hindurchgekämpft hat, wird erstmals der Blick auf mein Zuhause für die nächsten Tage frei. Zu meinen Füßen liegt Tallinn, die Hauptstadt des nördlichsten Staates im Baltikum, Estland. Viel weiß ich über das Land noch nicht, auch wenn ich jede freie Minute der vergangenen Tage damit zugebracht habe, mich über Politik, Wirtschaft, Kultur und soziale Gepflogenheiten zu informieren.
Kühl sollen sie jedenfalls sein, die Esten. Quasi angepasst ans Klima. Nicht emotionslos, aber doch zurückhaltend. Das merke ich auch beim Besuch beim erstbesten Kiosk, wo ich mir sogleich ein Fünf-Tages-Ticket für die Öffis kaufe. Kostenpunkt: 13 Euro. Ziemlich günstig. Die Verkäuferin quittiert mein sichtliches Erstaunen mit einem angedeuteten Nicken.
Ein paar Meter weitergestolpert bin ich auch schon beim Busbahnhof des Flughafens. Obwohl ich bis zur Endstation fahre, stehe ich nach 20 Minuten bereits am Fuße des Hotels. Auch das weiß ich bereits von meiner Recherche. Tallinn ist klein, vieles zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar. Die zwei jungen Damen an der Rezeption wirken aufgeschlossen, sind hilfsbereit bei meinem Versuch, in der Hotellobby meinen Arbeitsbereich einzurichten, weil das Zimmer noch nicht bezugsfertig ist. Kurz, nachdem das Zimmer fertig ist und ich einen Blick auf meinen Arbeits- und Schlafplatz der nächsten Tage erhasche, breche ich schon wieder auf. Der erste Termin steht an.
Netterweise holt mich Enn Laansoo ab – ausnahmsweise. Sonst schickt der Este mit dem klingenden Namen seine Autos ferngesteuert vorbei. Seit bald zwei Jahren fegen die Elektroautos des Startups Elmo Remote wie Spielzeugautos über die Straßen. Nur eben etwas größer. Und im realen Verkehr, nicht etwa auf einer Spielwiese oder gesonderten Straßen.
Wie es dazu kam (Achtung Teaser: es hat mit einer Sauna und einem Carsharing-Betrieb zu tun) und wohin es noch gehen soll, das habe ich den Gründer von Elmo Remote gefragt – und mich bei der Gelegenheit gleich von einem der eigens lizenzierten Fahrer durch das Industriegebiet chauffieren lassen. Auf der Rückbank sitzend, während er vor einer Bildschirmfront in einer Garage sitzt.
Mehr zu lesen gibt es in ein paar Tagen. Bis dahin stehen noch weitere Termine an. Und eines weiß ich jetzt schon. Die Behörden ticken in Estland etwas anders. Und die Esten mögen zwar in ihrer Mimik wenige Emotionen zeigen, die Taten – vor allem die Hilfsbereitschaft – sprechen aber für sich.