Luxemburg: Keine Insel der Seligen
Über Umwege mit dem Nachtzug Richtung Luxemburg – ist das nicht zu mühsam? Im Grunde nicht, zumindest wenn man keine Angst vor Klappwaschbecken hat. Und bereit ist, der Deutschen Bahn die eine oder andere Verspätung zu verzeihen …
Luxemburg also. Der Ruf des Geldes eilt dem Kleinstaat an der Mosel voraus. Das wirtschaftsstarke Erzherzogtum galt lange als DIE europäische Finanzhochburg. Wobei Luxemburg vom europäischen Krisengemisch keineswegs unberührt blieb. Was Jubelmeldungen anbelangt, zeigt sich das nationale Statistik-Institut „Statec“ zurückhaltend. Das Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt, der Inflationsdruck wächst – vor allem der Immobilienmarkt hierzulande ächzt. Von den eigenen Spitzenzeiten aus der Vergangenheit bleibt Luxemburg also aktuell entfernt. Die Arbeitslosigkeit, vor rund 30 Jahren in Luxemburg noch so gut wie ein Fremdwort, ist von 1,7 Prozent im Jahr 1990 auf 4,80 Prozent im vergangenen Jahr angestiegen. Heuer werden rund 5,08 Prozent prognostiziert.
Zählte Luxemburg 2020 noch als bedeutendster Finanzstandort in der EU, so belegt das Land innerhalb der Staatengemeinschaft aktuell nur noch den fünften Platz.
Ja, vieles spricht dafür, dass die einstige Strahlkraft des Landes in Mitleidenschaft gezogen wurde. Es knirscht und knarrt – dahinter verbirgt sich eine Welt, die aus den Fugen gerät. Der Abschied von Gewissheiten offenbart den Spalt zwischen Wunsch und Wirklichkeit. So ist Luxemburg zwar das Land mit dem höchsten Bruttosozialprodukt pro Kopf. Die Hitparade führt der Standort aber auch dann an, wenn es um versteckte Armut geht: Nirgends in der Eurozone ist die „Working Poor“-Rate so hoch wie hier.
Und nun? Ab morgen in der Früh begebe ich mich auf die Suche nach einem Ausweg – und zwar im Bildungssystem. Kinder sollen mehr über Geld lernen – nur wie? Reichen Mathe, Deutsch, Geschichte und Geografie überhaupt noch aus, um junge Menschen auf ihre Zukunft vorzubereiten? Und kann die Schule tatsächlich alles abfangen, was die Gesellschaft nicht schafft?
Diesen und anderen Fragen werde ich in den nächsten Tagen nachgehen. Erster Halt, first stop: Mit dem Schulbus nach Bridel. Pädagogin Sophie Nilles erwartet mich.
Die Schreiberin dieser Zeilen genießt die letzten Sonnenstrahlen und wundert sich, dass in Luxemburg noch nicht die Touristenmassen eingefallen sind …