7.8.: “Es gibt Hoffnung in Albanien”
Ein Ort, an dem Menschen aller Religionsbekenntnisse in Frieden zusammenleben und gemeinsam Feste feiern. Das klingt beinahe utopisch. In der Industriestadt Laç nördlich von Tirana soll es diesen Ort dennoch geben. Die Grotte, die dem heiligen Antonius von Padua geweiht ist, gilt heute als der bedeutendste Wallfahrtsort Albaniens - nicht nur für Katholik:innen.
“Ich war neun Jahre alt, als ich das erste Mal dort war”, erzählt mir die heute 63-Jährige Mimoza Celcima. Sie gehört zu den zehn Prozent der Menschen in Albanien, die sich zum katholischen Glauben bekennen. In Laç sei das aber nicht wichtig. Zu der Antoniuskirche seien schon immer Menschen aller Religionszugehörigkeiten hergepilgert.
Die Straße hinauf auf den auf etwa 300 Meter liegenden Wallfahrtsort ist erstaunlich gut ausgebaut. “Hier hat ja auch die Kirche investiert und nicht der Staat”, kommentiert Mimoza. Als sie als Neunjährige das erste Mal hier war, habe es keine Straße gegeben - und auch keine Kirche. Religion und Kommunismus passen eben nicht zusammen. Der Wallfahrtsort war ab 1967 sogar als militärisches Sperrgebiet deklariert. “Das hat die Menschen aber nicht davon abgehalten hierherzukommen und Kerzen einfach auf den bloßen Steinen anzuzünden. Wir glauben doch alle an denselben Gott”, meint die ehemalige Geografie- und Geschichtelehrerin aus Durres. Immerhin: 1990, kurz vor dem Fall des Kommunismus, sollen sich rund 60.000 Menschen Zugang zum Gelände verschafft und gemeinsam gefeiert haben.
Als wir bei der Grotte ankommen, verweht ein warmer Wind die drückende Hitze aus dem Tal. Menschen kommen und gehen, zünden an einer Steinmauer Kerzen an. “Hier geschehen Wunder”, ist sich Mimoza sicher. An diesen Ort zu kommen, berühre sie immer wieder tief in der Seele. Die Tränen, die ihr beim Besuch der Kirche über die Wangen laufen, bestätigen ihre Worte. Wie die 63-Jährige sind hier heute viele Menschen, die ihre Anliegen für sich und ihre Familien gen Himmel schicken.
“Jede Familie in Albanien hat einen Rucksack zu tragen”, hat mir Endrita Shehu vor der Abreise nach Laç erklärt. Die 28-Jährige arbeitet am Institute for Democracy and Mediation (IDM) und ist für das “EU und Westbalkan"-Programm zuständig. Sie hat ein Erbe des Kommunismus angesprochen, das nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Es sind die von Verfolgung, Repression und Armut geprägten Familiengeschichten. Möglicherweise sei auch das eine Erklärung, warum so viele Menschen außerhalb der Grenzen Albaniens ihr Glück versuchen. Endrita hat selbst einige Jahre im Ausland gelebt. Ein Stipendium hat sie unter anderem in die Türkei geführt. Während ihr albanischer Freundeskreis mittlerweile in ganz Europa verstreut ist, hat sie sich aber dafür entschieden in ihr Heimatland zurückzukehren. Warum: “Weil ich dadurch vielleicht etwas bewegen und Jüngeren zeigen kann, dass es Hoffnung in Albanien gibt”.
Apropos Hoffnung: Am Weg nach Laç gab’s auch noch einen Umweg nach Shengjin. Das ist jene Hafenstadt, in die Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni in Zukunft Bootsflüchtlinge aus “sicheren Herkunftsländern”, die im Mittelmeer aufgegriffen wurden, unterbringen will. Direkt am Hafen hat Italien ein Flüchtlingsankunftszentrum errichten lassen. Von außen sieht man hier noch nicht viel. Die Meinung der Albanerinnen und Albaner zum Deal zwischen Meloni und ihrem Regierungschef Edi Rama gehen auseinander. Einig sind sie sich aber darin: Rama will sich der EU anbiedern. Und immerhin hoffen die allermeisten hier, dass der Beitritt zur Europäischen Union vieles im Land besser machen kann. Davon zeugen nicht zuletzt die EU-Fahnen, die auch hier von den Dächern wehen.