“Du Papa, weißt du noch, wer Lech Wałęsa ist?”
Morgen steht meine Recherchereise nach Gdańsk an. Einen Monat vor Reiseantritt befinde ich mich aber noch im Heimatort meiner Eltern im Südosten der Türkei. Hier bin auch gedanklich noch weit entfernt von der geschichtsträchtigen Hansestadt. Eines Morgens, während dem Frühstücken mit meinem Vater, packt mich aber doch der Gedanke an die anstehende Recherche. Als ich meinen Cay schlürfe, beschäftigt mich vor allem, wie gegenwärtig der ehemalige polnische Staatspräsident und Gewerkschaftsführer Lech Wałęsa älteren Kolleginnen und Kollegen war. Im Gespräch mit Gleichaltrigen konnten nur die wenigsten die polnische Ikone des Mauerfalls zuordnen. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher kannte man natürlich, und auch beim tschechischen Wende-Präsidenten Václav Havel, ja da klingelte es. Aber Lech Wałęsa? - Der sagte niemanden etwas.
Die Gewerkschaft Solidarność, Walesas politisches Erbe, hat mittlerweile einen eher streitbaren Ruf in der internationalen Gewerkschaftsarbeit. Sie neige zum Konservativismus und habe, entgegen der Empfehlungen der örtlichen Gewerkschaften, für Kandidaten am Spektrum der extremen Rechten aufgerufen.
Ich frage also meinen Vater, der gerade an einer Olive knabbert, ob er mit dem Namen etwas anfangen könne. Kurz überlegt er, spuckt den Kern der Olive aus und nimmt einen Schluck von seinem Cay. Dann erhellt sich sein Gesicht: „Lech Wałęsa, der rechte Gewerkschafter, oder?“ Auch ich muss lächeln.