Die Zukunft ist jetzt: Ein Tag im Leben einer digitalen Nation
In Estland ist die Digitalisierung nicht nur ein Trend, sondern ein fester Bestandteil des täglichen Lebens. Vom Robotikunterricht im Kindergarten bis zur Geburtsurkunde auf Knopfdruck - Estland hat die Chancen der Technologie in den letzten 20 Jahren ergriffen und ist internationaler E-Government-Vorreiter. Heute begleite ich den Vorarlberg Digitalisierungsexperten Robert Krimmer, und seine in Tallinn lebende Familie in ihrem Alltag. Willkommen in der Welt, in der der Fortschritt an der Tagesordnung steht und die Zukunft bereits heute beginnt.
9 Uhr morgens in Tallinn - Maren und Robert Krimmer öffnen mir freudig die Tür. Robert Krimmer ist ursprünglich aus Vorarlberg, nun lebt er bereits seit neun Jahren mit seiner Frau und ihren drei Kindern in Estland.
Familie Krimmer ist das beste Beispiel, dass sich in Estland alles rund um Digitalisierung dreht. Robert Krimmer ist Digitalisierungsexperte. Bis zum Sommer hatte er den Lehrstuhl als Professor an der Technischen Universität in Tallinn inne und unterrichtete zum Thema E-Government. Seine Frau arbeitet für die estnische “E-residency” (im letzten Blogpost erklärt).
Robotikunterricht im Kindergarten
Familie Krimmer will mir heute zeigen, wie ein digitaler Alltag in Estland aussieht. Der Tag beginnt mit Kindergarten und Schule für die Kinder. Wir dürfen den 3-jährigen Julius mit der Kamera im Kindergarten begleiten. Schnell zeigt sich - hier sieht Kindergarten anders aus als bei uns. Die Kinder haben an diesem Tag Robotikunterricht. Mit unterschiedlichen kleinen Robotern lernen sie das Programmieren. So werden kleine Roboterbienen programmiert einen Weg nachzufahren, mit elektrischen Kugeln soll via Joystick ein Kunstwerk gezeichnet werden.
Die Kindergartenpädagoginnen erklären mir, dass jeder Kindergarten selbst entscheiden kann, welche Roboter er nützen möchte und wie viel damit gemacht wird. Der Kindergarten von Julius hat um die zehn verschiedenen Roboter. Man fühlt sich hier fast ein bisschen wie im Robotiklabor. Ziel sei es laut Pädagogin, den Kindern bereits früh spielerisch den Umgang mit der Digitalisierung zu ermöglichen. Und den Kindern macht es sichtlich Spaß.
Mittagessen per Roboter - zum Museum im selbstfahrenden Bus
Zurück am Esstisch von Familie Krimmer wird nach dem Mittagessen Donuts bestellt. Nicht per Uber oder zum Abholen, sondern via Roboter sollen die Donuts geliefert werden. Via App wird bestellt, innerhalb von 35 Minuten kommt der selbstfahrende Zustellroboter tatsächlich vor der Türe an, ziemlich futuristisch!
Bevor es am Nachmittag für Tochter Josephine, Papa Robert und dem selbst fahrenden Bus ins Museum geht, stehen Hausaufgaben an. Mama Maren hat das schon zu Mittag auf ihrem Laptop gesehen. Denn tatsächlich wird von den Hausaufgaben bis zum Klassenbuch, alles in einer App für Lehrkräfte, Kinder und Eltern zusammengefasst. So ist alles übersichtlich - Eltern wissen immer um die Mitarbeit ihrer Kinder Bescheid, Kinder und Lehrer haben alle Schulaktivitäten auf einer Hand. Auch sonst ist Schule weitgehend digital (dazu aber mehr morgen).
Jetzt geht es für Josephine und Papa Robert ins Museum. Dorthin fahren die beiden mit einem selbst fahrenden Bus. Ursprünglich ein Uniprojekt von StudentInnen fährt der Bus seit ein paar Jahren immer wieder monatelang unterschiedliche Testrouten durch Tallinn. In Zukunft soll er vor allem dort eingesetzt werden, wo man sonst schlecht zu Fuß hinkommt. Die Krimmers fühlen sich im Bus sichtlich wohl und genießen den Trip. Angst zusammengefahren zu werden oder mit dem Bus jemanden selbst zusammen zu fahren hat hier keiner.
Alle persönlichen Daten online auf einer Karte
Abends schaut Mama Maren zuhause nochmal in ihren Computer. Sie ist derzeit hochschwanger, bald sollte das vierte Kind der Familie kommen. Mithilfe ihrer ID, kann sie sich heute ihre letzten Bluttests anschauen, sieht aber auch welche Ärzte für ihre Untersuchung am nächsten Tag, wann Zeit haben. Denn mit der estnischen ID haben die EstInnen Zugriff auf alle Daten des Gesundheitssystems und jeder Behörde. Hier sind jede Impfung, jeder Gesundheitscheck und alle persönlichen Daten von klein auf gespeichert. Ohne Bürokratie alles auf einer Hand. Wenn das Baby in den nächsten Tagen kommt, können die Krimmers hier auch die Geburtsurkunde online mit drei Klicks ausstellen. Innerhalb von zwei Minuten machen die EstInnen zudem ihren Steuerausgleich über diese Plattform. Kein langes Anstehen bei den Behörden also mehr.
Fazit: Die Krimmers haben mich überzeugt. Der Alltag in Estland ist heute rundum digital - vor allem was die Verwaltung und Bildung betrifft. Anhand des Auslieferroboters aber auch des selbst fahrenden Busses zeigt sich aber auch gut, welcher Innovationsgeist in diesem kleinen baltischen Land steckt. Der Drang nach neuen Technologien scheint in Estland schier unbegrenzt!