Was unser Bildungssystem von Estland lernen kann

Mädchen sitzt an einem Tisch, vor ihr ein Laptop, in ihrer Hand ein Roboter

Estland ist bekannt für seine beeindruckenden PISA-Ergebnisse. Aber was macht das Land in Sachen Bildung anders als Österreich? Ein Besuch in der Tallinna 21. Kool, einer renommierten Gesamtschule in Tallinn zeigt eine Bildungswelt, in der SchülerInnen bereits in der dritten Klasse das Programmieren meistern, Technologien quer durch alle Altersklassen begeistert erkunden und Jugendliche fließend Englisch sprechen. Ein kurzer Summary, was alles möglich ist, wenn Schulen autonom ihren Lehrplan und Lehrmethoden auswählen können und SchülerInnen individuell auf ihre Zukunft vorbereitet werden.

Das qualitative Bildung in Estland von klein auf beginnt haben mir in dieser Woche bereits zwei Kindergartenbesuche in Tallinn gezeigt. Heute geht es für mich aber eine Stufe höher an die Schule, ich besuche die Tallinna 21. Kool, eine Gesamtschule mitten im Stadtzentrum von Tallinn.

Autonomie bei Lehrplänen und Methoden

Der wohl größte Unterschied zu unserem Schulsystem, wie mir der Direktor Melis Kond vor dem Besuch der Klassen erzählt, die Autonomie bei der Entscheidung über Lehrpläne und Methoden. Jede Schule kann einen großen Teil des Lehrplans, aber auch der Methoden, die zum Lernen verwendet werden, selbst entscheiden. Die 21. Kool ist beispielsweise bekannt für ihren sprachlichen und technischen Schwerpunkt.

Logisches Denken dank Robotikunterricht und angewandter Technologie

Als erstes geht es wieder, wie könnte es in Estland auch anders sein, in die Robotikklasse. Statt nur mehr mittels Knöpfen wie im Kindergarten zu programmieren, wird hier von der dritten bis zur sechsten Klasse bereits am Computer codiert - sieht schwierig aus, ist es auch, sagen mir die LehrerInnen. Die Kinder lieben diese Stunde aber, wie sie mir erzählen. Eine Robotikstunde in der Woche sei viel zu wenig. Viele der SchülerInnen machen am Wochenende sogar bei estnischen Robotik- und Programmierwettbewerben mit. Ein großer Teil will später an der technischen Universität in Tartu in Estland studieren. Mit dem Robotikunterricht wird laut Lehrerin das logische Denken angeregt, die Lust an der Technik steigt und Kinder kommen ins reale Handeln. Estland setzt insgesamt im Bildungswesen weniger auf standardisierte Tests und mehr auf praktische Arbeit und Projekte im Unterricht - Wissen wird meist gleich angewendet, so die Lehrerin. Und genau diese Stunden kommen auch am besten bei den SchülerInnen an.

Kinder beim Robotikunterricht

Die zweite Stunde verbringe ich natürlich auch in einem Raum voller Computer, hier lernen die AbschlussschülerInnen (18 Jahre alt) individuell Englisch und machen eigens ihre Aufgaben am Computer. Denn Ende November steht der Cambridge-Test an, denn alle mind. mit C1, eigentlich sogar aber mit C2 Level bestehen wollen. EstInnen lernen bereits mit sieben Jahren in der Schule Englisch. Und das fällt auf! Nicht nur in der Schule, sondern im ganzen Alltag sprechen alle EstInnen, aber vor allem die Jüngeren mit mir fließend und fehlerfreies Englisch. Auch die dritte Stunde verbringe ich im Computerraum, hier haben die 9-Jährigen bereits Informatikunterricht.

Für mich zeigt sich heute, die Technologie zieht sich durch alle Klassen. Jedes Jahr wird das Level angepasst, vom 3D-Modellieren über Elektronik und Programmieren ist alles dabei, so auch der Informatiklehrer. Seit ein paar Jahren wird auch Künstliche Intelligenz in viele Stunden eingebaut.

Schulklasse in einem Raum voller Computer

Kleinere Klassen, individuelleres Lernen

Was mir auch auffällt, die Klassen sind deutlich kleiner als in Österreich - rund 15 SchülerInnen sitzen hier an den Computern. Kleine Klassengrößen ermöglichen es den LehrerInnen, sich besser auf die individuellen Bedürfnisse der SchülerInnen zu konzentrieren, so Direktor Melis Kond. Das estnische Bildungssystem betont zudem die individuelle Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Auch die Englischlehrerin erklärt, LehrerInnen versuchen in Estland, auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten jedes einzelnen Schülers einzugehen und den Unterricht entsprechend anzupassen.

Nach dem heutigen Tag ist es für mich nicht mehr überraschend, das Estland als Pisa-Vorreiterland gilt. Alle LehrerInnen haben mir heute gezeigt, Bildung kommt im baltischen Land an erster Stelle, Technologie und Praxis werden aktiv in den Unterricht eingebaut, mehr als in Österreich wird tatsächlich auch auf die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen eingegangen.

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