Überall Österreich, aber nicht im „österreichischen Palast“?

Schon an meinem ersten Tag in Skopje merke ich: Österreich und Nordmazedonien, das ist eine interessante Beziehung. Zwischen osmanischen wie brutalistischen Bauten, Barockfassaden und den vielen, vielen Statuen erinnert mich so manches an daheim.

Das Logo der EVN etwa, das ein riesiges Gebäude am Hauptplatz der Stadt ziert. Das niederösterreichische Unternehmen ist der einzige Stromversorger im Land, was nicht unumstritten ist. Auch am bei Besuchern beliebten Matka Canyon etwas außerhalb Skopjes ist ein EVN-Wasserkraftwerk nicht zu übersehen. Die Firma A1 betreibt einen großen Teil der Mobilfunknetze hier. Und die Steiermärkische Sparkasse ist eine der größten Banken im Land.

EVN-Wasserkraftwerk bei Matka

Insgesamt gibt es in Nordmazedonien mehr als 50 Unternehmen mit österreichischer Beteiligung. Österreich ist der größte Auslandsinvestor in dem kleinen Balkanstaat, vor der Türkei und Deutschland.

Wohl auch deshalb gelten die politischen Beziehungen ebenfalls als gut – sowohl der Außen- als auch der Europaminister der neuen, Ende Juni angelobten Regierung haben sich als Destination für ihre jeweils ersten bilateralen Auslandsbesuche diesen Sommer Wien ausgesucht. Man erhofft sich auch Unterstützung bezüglich Bulgariens Blockade, was den EU-Beitrittsprozess Nordmazedoniens angeht (dazu in einem eigenen Eintrag bald mehr).

„Austrian Culture“

Die Beziehungen gehen natürlich über Wirtschaft und Politik hinaus. Am Rande des Alten Bazars steht zum Beispiel der „Austrian Palace“. Dabei handelt es sich aber nicht wirklich um einen Palast, sondern ein in der Stadt bekanntes Restaurant. Man kann hier weder Schnitzel bestellen noch zu Musik von Mozart oder neben Bildern vom Schloss Schönbrunn dinieren. Nein, hier gibt es vor allem lokale Gerichte, Songs des britisch-albanischen Superstars Dua Lipa in Dauerschleife und als Deko das ein oder andere Erinnerungsstück „made in Yugoslavia“. Dennoch steht überall groß „Austrian Palace“ geschrieben, auf einer Wand sogar „Austrian Culture“. Als ich bei einer Kellnerin nachfrage, erklärt sie mir, der ehemalige Besitzer habe einst 20 Jahre lang in Österreich gelebt, bevor er zurückgekommen sei und das Restaurant eröffnet habe.

Wer ein paar Minuten weiter zum etwas versteckten Kapan An (eine alte Bezeichnung für ein Gasthaus, in dem Reisende sich ausruhen konnten) geht, findet dort einen kleinen Schneider. Der Name des Unternehmens: „Viena” bzw. „Vienna”, Wien. Auch dessen Besitzer hat einst zwei Jahre lang in Österreich gelebt, auf alten Nähmaschinen steht ebenfalls „Wien” geschrieben.

Schneider "Viena" in Skopje 

Solche Geschichten gibt es einige – auf dem ganzen Westbalkan, nicht nur in Nordmazedonien. Nicht alle kommen aber zurück. Der durchschnittliche Lohn in Nordmazedonien beträgt nur ungefähr 600€, das bewegt viele zum Gehen.

Die starke Abwanderung gerade junger, akademisch wie handwerklich gut ausgebildeter Menschen u. a. in die EU stellt die Region vor große Herausforderungen, fehlen sie doch im eigenen Land.

Die Diaspora aus Nordmazedonien in Österreich zählt derzeit ungefähr 27.000 Personen, dabei hat Nordmazedonien nur circa zwei Millionen Einwohner. Viele der Menschen in Skopje, mit denen ich spreche, können ein wenig oder gut Deutsch und haben Verwandte oder Bekannte in Wien, Graz oder Linz. Österreich kennt man hier gut, habe ich den Eindruck. Vielleicht hat der neue Besitzer des „Austrian Palace“ das Lokal auch deshalb nicht unbenannt, selbst wenn er nie in Österreich gelebt hat.

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Durch die unsichtbare Mauer: Ab in den Süden. Ab nach Neapel.

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