„Wir sind Europäer, auch wenn wir nicht in der EU sind“
Wie Rita Behadini ist auch Ivan Durgutov Mitglied des Young-European-Ambassador-Netzwerkes, das derzeit circa 30 Teilnehmer aus Nordmazedonien zählt und dessen Teilnehmer etwa Projektideen einreichen und umsetzen sowie an Events in verschiedenen Ländern Europas teilnehmen können. Durgutov beschäftigt sich im Zuge dessen vor allem, aber nicht nur, mit dem Thema Menschenrechte.
Warum er mitmacht? Der 29-jährige Jurist ist der Meinung, dass sein kleines Heimatland „besser gedeihen“ könnte, wäre es EU-Mitglied: „Ich sage immer: Ja, wir sind auf dem Westbalkan, aber wir sind auch in Südosteuropa. Wir sind Europäer, auch wenn wir noch nicht in der EU sind.“
Obwohl - oder vielleicht auch gerade, weil - er sein Land so gern in der Union sehen würde, ist er frustriert, was den Beitrittsprozess angeht. „Es ist ein bittersüßes Gefühl. Wir sind nicht stolz darauf, dass wir schon seit zwei Jahrzehnten im Wartezimmer der EU sitzen“, sagt er. Gleichzeitig sei er aber genau damit großgeworden und wolle nicht über ein Szenario nachdenken, in dem es mit dem Beitritt niemals klappen würde.
Das bulgarische Veto bezeichnet Durgutov als „sehr sensibles Thema“ in der gesamten Bevölkerung, aber ganz besonders für ethnische Mazedonier wie ihn: „Es ärgert mich, dass wir, anstatt über unsere Zukunft zu reden, wieder über die Vergangenheit diskutieren.“ Wenn er an die EU denke, denke er „an die Kopenhagener Kriterien, an ein besseres Rechts- und Wirtschaftssystem - aber nicht daran, was irgendjemand vor zwei Jahrhunderten gesagt hat, noch bevor wir alle geboren wurden.“
"Regierungen missbrauchen Erweiterung für innenpolitische Zwecke”
Aus seiner Sicht geht es bei dem Streit zwischen Skopje und Sofia nicht wirklich um die EU-Integration, ähnlich sah er das zuvor beim griechischen Veto: "Diese Regierungen missbrauchen die Erweiterung für innenpolitische Zwecke“, findet er. Damit spricht er etwas an, das ich auch in Gesprächen mit Politikern, Diplomaten und Politikwissenschaftern in Skopje immer wieder höre und das fast immer kritisch gesehen wird: Mit den Vetos sei der Beitrittsprozess „bilateralisiert“ worden.
Damit hängt wohl auch jenes Argument gegen die von Bulgarien geforderte Verfassungsänderung zusammen, das man mir während meiner Reise am öftesten nennt: Nordmazedonien habe auf Wunsch Griechenlands schon seinen Namen geändert - warum solle man noch einen derartigen Kompromiss eingehen, wenn man doch nicht wisse, ob danach nicht schon wieder das nächste Veto warte?
Durgutov sieht das ähnlich. Für die Namensänderung sei er gewesen, wollte Nordmazedonien auf dem Weg in die EU endlich vorwärtskommen sehen. Jetzt ist er zwiegespalten, vertraut nicht darauf, dass die Verfassungsänderung tatsächlich das gewünschte Ende jeglicher Blockaden bringen würde.
Es sind nicht nur die Vetos
An dieser Stelle will ich einerseits erwähnen, dass sowohl Behadini als auch Durgutov sich als YEA-Mitglieder natürlich intensiver als die meisten Menschen in der Bevölkerung Nordmazedoniens mit dem EU-Beitrittsprozess auseinandersetzen. Ich habe auch Leute getroffen, die noch nie oder nicht mehr in die EU wollen bzw. kaum ein gutes Wort über sie verlieren, wenn man sie danach fragt. Ein Mann mittleren Alters hat mir zum Beispiel gesagt, er misstraue den EU-Politikern und es sei besser, wenn es nicht zum Beitritt komme. Und eine junge Frau erzählte, sie habe sogar richtig Angst vor dem Beitritt und teureren Preisen, die sie mit der EU verbindet.
Andererseits finde ich es auch wichtig, nochmal zu betonen, dass die Vetos natürlich nicht der einzige Grund sind, warum Nordmazedonien noch nicht in der EU ist. Auch, wenn Bulgarien sein Veto morgen aufgäbe und Nordmazedonien formal den nächsten Schritt gehen könnte, wäre vor dem Beitritt noch viel zu tun – zum Beispiel im Bereich Korruptionsbekämpfung.